Auftragsarbeit für Zeitlupe: Charlotte Peter

 

«Ich hatte immer Flugtickets in der Handtasche»

 

Über Mutter Teresa regt sich Charlotte Peter heute noch auf. «Ich habe diese scheinbare Mutter der Barmherzigkeit oft besucht und fand ihre Sterbenden trotz der Millionenspenden immer recht armselig versorgt», erzählt sie. «Ich verstehe nicht, warum Mutter Teresa sich nie für Geburtenkontrolle in den Slums einsetzte. Lieber nahm sie kleine Kinder in den Arm, die in ihrem Schoss den Hungertod starben.»

 

1979 erhielt Mutter Teresa den Friedensnobelpreis. Fotos von Reichen und Schönen neben der personifizierten Armseligkeit der Nonne gingen um die Welt. Peters kritische Berichte über die Nonne passten da so überhaupt nicht ins Bild – sie wurden teilweise nicht gedruckt und falls doch, lösten sie bitterböse Reaktionen aus. «Davon liess ich mich aber nie beirren», betont Charlotte Peter.

 

«Die Welt ist meine Heimat»

Sich in ihrer Meinung zurückzunehmen, sich in Ruhe zurückzulehnen, sich gar zur Ruhe zu setzen; darüber denkt Charlotte Peter keine Sekunde nach. «Ich bin eine alte Frau, ich sitze gerne im Lehnstuhl, aber bitte, stellt mir den in ein Flugzeug, und ich bin glücklich» sagt sie lachend und ergänzt: «Die Welt ist zu meiner Heimat geworden.»

 

Die 95-jährige Reisejournalistin ist soeben von einer längeren Chinareise nach Hause gekommen. Mit elegant überschlagenen Beinen und einer Tasse chinesischem Tee auf dem Schoss sitzt sie in der Stube ihres Zürcher Elternhauses und lässt ihre berufliche Vergangenheit Revue passieren. Dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund. «Es gab Dinge, die ich damals nicht schreiben durfte, selbst wenn sie wahr waren», erzählt Charlotte Peter.

 

Über genau diese Dinge hat sie nun ein Buch geschrieben. Zusammen mit ihrer langjährigen Berufskollegin – «wir sind seit einem halben Jahrhundert befreundet» – Suzanne Speich. Denn «der Schwachsinn von Frauenfeindschaften am Arbeitsplatz konnten wir nie etwas abgewinnen», sagt Charlotte Peter. Und genauso sagt es auch Suzanne Speich beim Interview im Zürcher Bridge Club.

 

Reisen auf Spesen – heute unbezahlbar

In «Was wir nicht schrieben durften» geht es unter anderem um Spione im Berner Hotel Bellevue Palace, Winston Churchills legendären Whiskeykonsum, Albert Schweizers Rassendünkel und die bereits erwähnte Mutter Teresa. Es geht um sogenannte «first-hand-Infos», aber auch um die eher «unangenehmen Tuchfühlung mit mächtigen Männern» einer früheren Welt. Und es geht schlussendlich auch um einen Boulevard-Journalismus, der längst Tempi passati ist. Oder wie es Susanne Speich formuliert: «Journalismus, wie er einmal war.»

 

Es war damals schlicht normal, dass die Journalistinnen auf Spesenkosten für ihre Geschichten weitreisen durften. «Eine Tasche mit Pass und dem Nötigsten stand immer unter meinem Redaktionspult», sagt Suzanne Speich. Auch Charlotte Peter erinnert sich: «Ich hatte immer Flugtickets in meiner Handtasche». Sie unternahmen oft mondäne Reisen, noch ohne Smartphone und ohne Internet. Hatten Sie nie Angst vor dem Unbekannten? «Nie!», sagt Charlotte Peter. «Ich bin Fatalistin. Es kann überall etwas passieren.» Suzanne Speich resümiert: «Ich war immer so wild auf die Story, da hatten Ängste keinen Platz.»

 

«Eine Nase für Geschichten»

Bereits als Studentin schrieb Charlotte Peter für die Swissair- «Gazette» über die angesagtesten Metropolen, ab den 1960er Jahren tummelte sie sich als Chefredaktorin der deutschsprachigen «Elle» lange Jahre in der Welt der Schönen und Reichen. «Für die Modeshootings reisten wir mal in die Wüste Gobi, mal ging’s nach Russland auf den Roten Platz», erinnert sie sich. Ob Modeshooting oder Reportage, Charlotte Peter ist bis heute mit einem stets offenen, neugieren Blick unterwegs.

 

«Immer nur von diesen heiligen Kühen in Indien zu erzählen, wie langweilig», sagt sie, «ich habe stets nach einem anderen Blickwinkel auf Themen gesucht.»

 

«0.0 Fakenews»

«An viele Story bin ich durch Zufall gelangt. Ich war immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort», sagt Suzanne Speich, «ich bin keine grosse Schreiberin. Aber ich habe die Nase für Geschichten. Suzanne Speichs fand als 19-Jährige ihren Einstieg in den Journalismus und stieg beim «Blick» schnell zur Chefreporterin auf. «Charlotte war etwas Feministin, ich überhaupt nicht. Wir erreichten ja alles, was wir wollten, waren super bezahlt und spürten Storys auf an die kein Mann je kam…. nicht zuletzt manchmal eben gerade weil wir Frauen waren.»

 

Der Kampf gegen die Beschneidung von Frauen eint die beiden Autorinnen. «Das Thema ist heute zwar omnipräsent, trotzdem unternimmt niemand ernsthaft etwas dagegen», findet Suzanne Speich. Dieser gemeinsamen Herzensangelegenheit haben sie ihn ihrem Buch ein ganzes Kapitel gewidmet. Und auch was den Wahrheitsgehalt ihren Geschichten anbelangt, sind Suzanne Speich und Charlotte Peter auf einer Linie: «Fakenews gibt es bei uns 0.0.»